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Ernährung

Ist Bio besser? Einfluss von Nahrungsmitteln auf Diabetes mellitus

Pestizide auf Obst und Gemüse, Medikamentenrückstände in tierischen Produkten, Gentechnik im Getreide. Was kann man noch essen, was sollte man vermeiden und was hat das alles mit Diabetes zu tun? Hand aufs Herz: Wenn es um gesunde, abwechslungsreiche und möglichst unbelastete Lebensmittel geht, können vermutlich nur sehr wenige Menschen von sich behaupten, ganz konsequent zu sein. Die Gründe dafür sind so unterschiedlich wie wir Menschen: Es fehlt die Zeit, es fehlt die Lust zu kochen und oft ist auch das Portemonnaie der ein limitierender Faktor. Nicht zuletzt mangelt es aber auch oft einfach an der Bereitschaft, sich wirklich mit dem Thema Ernährung auseinanderzusetzen. Essen soll satt machen und schmecken und bestenfalls dann verfügbar sein, wenn der Hunger kommt. Dabei ist Essen so viel mehr als nur Sattmacher. Nahrung ist Energie, der Treibstoff für unseren Körper, Makro- und Mikronährstoffe für unsere Zellen und damit maßgeblich an unserer Gesundheit beteiligt. Und: Je besser die Qualität der Lebensmittel, mit denen wir unseren Körper versorgen, desto besser ist das auch für uns. Aber woher wissen wir, wie hoch die Qualität ist? Und was macht qualitativ hochwertige Lebensmittel aus?

Zusammenhang Bio-Lebensmittel und Diabetes

Je natürlicher, unbehandelter und unverarbeiteter ein Lebensmittel ist, desto besser. Also alles Bio? Viel zu teuer, werden manche einwenden, völlig überwertet, werden andere entgegnen und wissen wollen, ob Bio erwiesenermaßen wirklich immer besser ist. Zudem stellt sich vielleicht auch die Frage, was das eigentlich mit Diabetes zu tun haben soll. Antworten liefert Ernährungswissenschaftlerin und Diabetesberaterin Dr. Astrid Tombek sowie Untersuchungen und Studienergebnissen auf der Website „Diabetes and the Environment“ (Diabetes und Umwelt). Die öffentlich zugängliche Webseite fasst wissenschaftliche Erkenntnisse zu potenziellen Ursachen von Typ-1-Diabetes zusammen und listet Studien, die Einfluss von Umweltschadstoffen auf die Entwicklung von Diabetes untersuchen.
Wer sich im Netz auf die Suche macht und mit Fachkräften spricht, kommt zu einem klaren Ergebnis: Um sich und seiner Gesundheit Gutes zu tun, sollten biologisch erzeugte Lebensmittel zumindest vorgezogen werden. Auch bei Diabetes. Warum? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Zunächst einmal enthalten biologisch erzeugte Lebensmittel nachweislich weniger Schadstoffe. Schadstoffe können schädlich sein. Unabhängig vom Diabetes. Nun könnte man dagegenhalten, weniger ist nicht gleich null und fragen, ob und wieso auch in biologisch hergestellten Lebensmitteln gesundheitsschädliche Substanzen stecken? „Es ist mittlerweile nicht mehr möglich, sich so zu ernähren, dass gar keine Schadstoffe aufgenommen werden“, sagt Astrid Tombek. Aber, so die Ökotrophologin und Diabetesberaterin: „Wer zu Bio greift, kann die Schadstoffbelastung deutlich reduzieren. Bio-Lebensmittel sind erheblich weniger belastet als konventionelle Produkte – und damit gesünder.“ Nach EU-Ökoverordnung dürfen Biobauern und -bäuerinnen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel einsetzen, um ihre Ernte vor Insekten, Pilzen oder Unkraut zu schützen. Insgesamt sind im Biolandbau nur ein Zehntel der Pestizide zugelassen, die konventionellen Landwirt*innen zur Verfügung stehen. Das reduziert nicht nur den Schadstoffgehalt im Nahrungsmittel selbst, nebenbei lassen sich auch andere negative Effekte auf die Umwelt minimieren.

Gut für die Gesundheit: Weniger Pestizide und Dünger im Biolandbau

Auch im Biolandbau werden Mittel genutzt, um Pflanzen zu schützen und auch die hier zum Einsatz kommenden Substanzen wie Kupfer, Schwefel, Bienenwachs oder Pflanzenöle sind zum Teil umstritten, weil sie die Umwelt belasten können. Während im ökologischen Landbau aber das Vorbeugen vor Krankheiten und Schädlingen im Vordergrund steht, geht es im konventionellen Anbau häufig darum, dass die Pflanzen schneller wachsen, der Ertrag größer ist und dass Früchte besser aussehen und sich somit besser verkaufen lassen. Um dies zu erreichen, kommen nitrathaltige Gülle und synthetischer Dünger zum Einsatz. Bereits seit einigen Jahren kritisiert der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) die viel zu hohen Nitratwerte im Grundwasser, die vor allem unter intensiv bewirtschafteten Ackerflächen nachzuweisen sind. Nitrat kann im Körper in giftiges Nitrit und in krebserzeugende Nitrosamine umgewandelt werden. Bio-Produkte werden nicht mit nitrathaltigem Stickstoffdünger versorgt und haben damit in der Regel einen niedrigeren Nitratgehalt.
Seit den 1980er-Jahren gibt es eine Reihe von Studien, die untersuchen, ob Kinder, die über Nahrung oder Wasser einem höheren Nitrat- oder Nitritspiegel ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes haben. Bislang sind die Ergebnisse widersprüchlich. Allerdings wurde – mit Ausnahme einer Studie aus Island, die 1981 publiziert wurde1, nicht untersucht inwieweit die Eltern, insbesondere zum Zeitpunkt der Empfängnis Nitrat/Nitrit ausgesetzt waren.
„Die Datenlage auf diesem Gebiet ist leider nicht ausreichend umfangreich, um mit wissenschaftlicher Evidenz belegen zu können, dass dieser oder jener Schadstoff die Entstehung von Diabetes fördert“, sagt Dr. Astrid Tombek. „Was wir aber wissen, ist, dass es Zusammenhänge gibt, insbesondere über den Einfluss von Schadstoffen auf unsere Darmflora und darüber dann eben auch auf den Diabetes.“ Die Darmflora (Darmmikrobiom) von Menschen mit Diabetes weise nachweislich eine geringere Vielfalt auf. Auch konnte gezeigt werden, dass Darmmikroben Organophosphate abbauen und Darmfunktionsstörungen verursachen. Organophosphate sind eine spezielle Gruppe von Phosphor- und Kohlenstoffverbindungen, die in Landwirtschaft und Industrie vielfach als Insektizide, Weichmacher oder Flammschutzmittel zum Einsatz kommen. Dass Organophosphate Diabetes auslösen können, ist beschrieben. Forscher aus Indien haben – zumindest an einem Mausmodell – zeigen können, dass die Phosphate über das Mikrobiom des Darms die Glukoseintoleranz aktivieren.2

Aber es geht nicht nur um Ernährung

Dr. Astrid Tombek, die seit 1998 die Abteilung Diabetes- und Ernährungsberatung an der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim leitet, blickt über den Tellerrand der Ernährungswissenschaften hinaus. Denn ganzheitlich betrachtet, vermischen sich bei diesem Thema unterschiedliche Ziele. „Erwiesen ist ja, dass zum Beispiel Fleisch aus konventioneller Herstellung – also Massentierhaltung – sowohl in Bezug auf das Tierwohl als auch hinsichtlich des Klimawandels sehr wohl negativen Einfluss hat.“ Grundsätzlich sei es für uns und unser gesamtes Ökosystem besser, auf ökologisch und biologisch nachhaltige Erzeugung unter weitestgehendem Verzicht von Pestiziden zu setzen. Hier trage jeder von uns eine Verantwortung. Für die eigene Gesundheit, für Natur und Umwelt und für unsere Nachfahren. „In diesem Zusammenhang ist das vielmehr eine moralische als eine wissenschaftliche Frage.“

Bio-Lebensmittel sind auch eine Frage des Budgets

Ein häufiges Argument für den Kauf konventionell erzeugter Lebensmittel ist der Preis. Bio-Waren, so die Skeptiker*innen, seien teurer, das könne sich nicht jede*r leisten. Für Bio-Fleisch ist dies durchaus richtig und der Ansatz wäre hier vermutlich, lieber seltener Fleisch zu essen und dafür auf Qualität zu setzen. Auch bei Obst und Gemüse muss man für Bio-Erzeugnisse häufig etwas mehr ausgeben. Aber: Jeder Discounter bietet inzwischen Bio-Ware an und wer zusätzlich auf saisonale und regionale Produkte achtet, wird hier in der Regel ebenfalls gute Angebote finden. In der Regel schmecken die Produkte auch besser. In der Beratung empfiehlt Dr. Astrid Tombek grundsätzlich eine überwiegend pflanzenbasierte und bestenfalls aus biologischer Erzeugung stammende Nahrung. Nicht zuletzt ist ein Nahrungsmittel, das den Körper mit Energie und Nährstoffen versorgen soll, möglicherweise etwas, dass grundsätzlich mehr Wertschätzung verdient und nicht nur unter dem Aspekt eines möglichst preisgünstigen Sattmachers betrachtet werden darf.
Zudem darf davon ausgegangen werden, dass ein höherer Preis für Bio-Ware auch mit höherer Qualität verbunden ist: Neben der niedrigeren Schadstoffbelastung punkten Bio-Lebensmitteln häufig auch mehr Nährstoffen. Dies gilt auf jeden Fall für Milchprodukte und hat mit der Fütterung der Tiere zu tun. Konventionell gehaltene Kühe erhalten mehr Kraftfutter als Tiere in biozertifizierten Betrieben mit Weidefütterung. Auch bei vielen Obst- und Gemüsesorten liegen die Bio-Varianten vorn: Bio-Äpfel und -Kartoffeln liefern beispielsweise mehr Vitamin C und sind deutlich reicher an sekundären Pflanzenstoffen, die vor Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen sollen.
Das umstrittene Pestizid Glyphosat steht schon länger im Verdacht, Krebs auszulösen und es ist erschreckend, in wie vielen konventionell erzeugten getreidehaltigen Lebensmitteln Spuren des Unkrautvernichters zu finden sind. Eine Untersuchung der Stiftung Warentest aus dem Jahr 2021 konnte in beinahe allen konventionell hergestellten Spaghetti-Nudeln aus Hartweizengrieß Glyphosat-Rückstände nachweisen. Interessanterweise auch in den hochpreisigen Markenprodukten, die übrigens im Vergleich zu den Bio-Nudeln der großen Drogerien, wesentlich teurer sind. Alle Bio-Spaghetti hingegen schnitten mit Bestnote „sehr gut“ ab.

Die letzte Gewissheit fehlt

Ein definitiver Nachweis, dass ein Mensch, der einem bestimmten Umweltgift ausgesetzt ist, eine bestimmte Krankheit bekommt oder dass sich sein Gesundheitszustand dadurch verschlechtert, ist aber kaum zu erbringen. Der Grund ist simpel: Es gibt keine Bevölkerungsgruppen, die Pestiziden überhaupt nicht ausgesetzt sind. Darüber hinaus sind die meisten Krankheiten auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen, die in ihrem Zusammenspiel individuell und sehr komplex sind. Dass Umweltchemikalien aber die Entwicklung von Typ-1-Diabetes beeinflussen können, davon gehen die Wissenschaftlerin Sarah G. Howard und viele ihrer Kolleg*innen aus. Denn über 300 begutachtete Studien, die seit 2007 in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, haben den Zusammenhang zwischen Pestiziden und Diabetes oder Adipositas inzwischen untersucht.

1 www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(81)91048-5/fulltext

2 Genome Biology: 2017; doi: 10.1186/s13059-016-1134-6

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