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Bewegung & Sport

Abenteuer Kilimandscharo: Mit Typ-1-Diabetes hoch hinaus:

Auf den Kilimandscharo mit Typ-1-Diabetes

Wie viel Abenteuer darf sich ein Typ-1-Diabetiker zutrauen? Walter Kremsreiter hat nach gründlicher Vorbereitung ganz schön viel Abenteuer gewagt und wurde mit einem Gipfelsieg belohnt. Hier erzählt er seine Geschichte.
„Alles begann im Frühsommer 2018 mit dem Wunsch meiner Frau, den Kilimandscharo, mit 5895 Metern das höchste Bergmassivs Afrikas, zu besteigen. Der Kilimandscharo zählt zu den sogenannten Seven Summits und sein höchster Gipfel, der Kibo, krönt den höchsten frei stehenden Berg der Erde.
Meiner Frau wurde ein Organisator aus Hauzenberg im Bayrischen Wald empfohlen, der für seine perfekte Vorbereitung und zielgerichtete Organisation von Gipfel-Touren bekannt ist. Meine Frau nahm Kontakt mit ihm auf und in der Folge planten wir, unseren Sommerurlaub 2018 im Bayrischen Wald und Tschechien mit Bergwandern und Radtouren zu verbringen, um zum Urlaubsende die Organisatoren für eine persönliche Abstimmung der Tour aufzusuchen.
Am Ende dieses halbtägigen Gesprächs meldete sich meine Frau spontan für die Kilimandscharo-Tour an. Sofort kam dann die Frage des Organisators, warum ich nicht auch teilnehmen möchte. Alle von mir vorgetragenen Einwände wie mangelnde Kondition und vor allem der Diabetes wurden vom Organisator als nicht problematisch und aufgrund seiner Routenwahl und Vorbereitung ohnehin auch als absolut lösbar widerlegt.

Zeit der Überlegung: Mit Diabetes auf Extrem-Tour?

Bereits auf der Heimfahrt begann ich nochmals intensiv über seine Worte nachzudenken und so keimten die ersten Gedanken ebenfalls teilzunehmen. Es folgten ausführliche Gespräche mit meiner Diabetesberaterin, ebenfalls Typ-1-Diabetikerin, die selbst gerne Hochtouren geht und ebenfalls schon öfter über eine Kilimandscharo-Tour nachgedacht hat. Nach weiteren Internetrecherchen, Studium einschlägiger Literatur, Besuch beim Kardiologen und Belastungs-EKG meldete ich mich schließlich im November 2018 ebenfalls für die Tour an.
Es folgte die dringend notwendige Gelbfieberimpfung sowie zwei Hepatitis-Impfungen und neben diversen Firmen kontaktierte ich auch die feelfree-Redaktion, um mich nach Erfahrungen mit Blutzuckermessungen und Pumpentherapie in größeren Höhen zu erkundigen. Es gab jedoch keine entsprechenden Studien für die Höhe des Kilimandscharo dazu. In der Regel sind die Geräte, gleichgültig von welchem Hersteller, bis zu einer Höhe von 3000 Metern zertifiziert. Über diese Grenze hinaus liegen zwar positive Erfahrungswerte vor, jedoch keine wissenschaftlichen Untersuchungen.

Ich packe meinen Koffer: Von Blutzuckermessgerät bis Insulin, alles am Mann

Schließlich begann ich meine medizinische Ausrüstung im Detail vorzubereiten: Auswahl von Blutzuckermessgeräten, Ersatzgeräten, Pumpenersatz, Pumpenzubehör, Glukagonspritze, Einmalspritzen, Insulinmengen, Teststreifen für Blutzucker und Ketontest und auch diverse Urlaubsmedikamente … Da man beim Besteigen des Kilimandscharo alle fünf Klimazonen der Erde (Start bei +30 °C, Gipfelbesteigung bei -10 °C) durchwandert, war auch eine genaue Planung der Medikamentenaufbewahrung, der Auswahl der benötigten Not-BE und der erforderlichen gesamten Bekleidung zwingend notwendig. Schließlich machten wir uns mit je einem 130 Liter Seesack, einem Koffer und einem kleinen Tagesrucksack am 18. Januar 2019 auf nach Tansania zum Kilimandscharo. Am Airport von Arusha wurden wir, eine siebenköpfige Reisegruppe, mit dem Geländewagen abgeholt und in ein Safarihotel nach Arusha gebracht. Dies sollte für die nächsten zwei Wochen unser „Headquarter“ sein, wo wir uns nach den einzelnen Reiseabschnitten jeweils regenerieren und auch alle im Moment nicht benötigten Gegenstände deponieren konnten.
Da fast die Hälfte aller Kilimandscharo-Touristen wegen ungenügender Akklimatisation am Gipfelsieg scheitert, setzte unser Reiseveranstalter auf eine bestmögliche Höhenanpassung.
Somit stand für die ersten vier Tage die Besteigung des 4566 m hohen Mount Merus an, dem fünft höchsten Gipfel Afrikas. Morgens wurden wir von unserer Trägermannschaft unter Leitung des Führers Ben mit einem Zubringerbus im Hotel abgeholt. Meine Frage an ihn, ob er schon öfter Diabetiker zum Gipfel des Kilimandscharo geführt hätte, beantwortete er mit einem klaren „ja“ und der Bemerkung: „Das sind doch die, die immer wieder stehen bleiben, um ständig zu essen“.
Dank der von der Nationalparkverwaltung verpflichtend vorgeschriebenen Trägermannschaft mussten wir abgesehen von unseren Tagesrucksäcken mit Getränk und Tagesverpflegung die restliche Ausrüstung nie selbst tragen.
Durch den Arusha Nationalpark wanderten wir nach erster Übernachtung auf den Mirakamba Hütten (2514m) weiter zur Saddle Hut (3570m). Um der Empfehlung „steige 300 Meter höher als Du schläfst“ gerecht zu werden, bestiegen wir abends noch schnell den Little Meru (3820m). Um den Mount Meru zu erreichen, starteten wir bereits um Mitternacht. Ein technisch leichter, aber anstrengender Anstieg führte uns in knapp sieben Stunden auf den Gipfel des Mount Meru (4566m) – Luftlinie ca. 50 km vom Kilimandscharo entfernt.
Der Abstieg erfolgte wieder zurück zur Saddle Hut, in der wir zur besseren Akklimatisation nochmals eine Nacht verbrachten.

Der Gipfelsturm: Basalrateneinstellung und andere Herausforderungen

Aus Angst vor Unterzuckerungen und zur Vorbeugung des Muskelauffülleffekts hatte ich zunächst meine Basalrate ganztägig pauschal um 0,1 reduziert und zusätzlich eine temporäre Basalratenreduzierung auf 30 % vorgenommen. Da wir jedoch, wie eigentlich auf der gesamten Tour, zur besseren Höhenanpassung sehr langsam marschierten, zeigte sich aufgrund meiner sehr hohen Blutzuckerwerte rasch, dass dies für mich die falsche Methode war. Ich stellte alles wieder auf Normalwerte zurück und beließ es so bis zum Ende der gesamten Tour. Die Verpflegung durch unseren tansanischen Koch und die Trägermannschaft war perfekt. Frühstück mit Porridge, Omelette und Toast, mittags ein Lunchpaket mit Hähnchen, Toast und Obst und schließlich abends ein warmes Menü mit Suppe, Fleisch, Nudeln, Früchte ließen meinen Bedarf nach Not-BE nahezu auf Null sinken. Meinen Blutzucker hatte ich dank Sensor und der Kontrolle durch das Accu-Chek Mobile immer im Blick. Alle Geräte und Insulinreserven bewahrte ich zur gleichmäßigen Temperierung immer in Körpernähe oder im Schlafsack auf.
Leider überraschte mich dann in der Nacht eine akute Durchfallattacke, die ich jedoch mit massiver Medikamenteneinnahme in Kürze wieder stoppen konnte. Offensichtlich war aber nicht der gesamte Infekt gestoppt, da ich in den folgenden Tagen trotz steter Bewegung immer mit erhöhten Blutzuckerwerten und Appetitlosigkeit zu kämpfen hatte. Auch das Trinken größerer Mengen Tee, was mit zunehmender Höhe zur Vermeidung der Höhenkrankheit sehr wichtig ist, fiel mir extrem schwer. Ich musste immer wieder Flüssigkeit mühsam in kleinen Schlucken zu mir nehmen. Die positive Folge dieses Infekts war aber, dass ich zu keiner Zeit mit Unterzuckerungen, wie ich sie aus Bergtouren in unseren Allgäuer Bergen sehr gut kenne, zu kämpfen hatte.

So erreichten wir mittags nach einer vierstündigen Busfahrt unseren Ausgangspunkt Umbwe-Gate. Unser Organisator wählte bewusst die Umbwe-Route, die zwar einerseits als die schwierigste Aufstiegsroute zählt, dadurch jedoch andererseits sehr wenig begangen wird (ca. 1,4 % der Besteigungen pro Jahr) und als landschaftlich reizvollste Route gilt. Nach 6 Stunden Fußmarsch und 1000 Höhenmetern erreichten wir in der Abenddämmerung das Umbwe Camp (2800m). Unsere Trägermannschaft hatte bereits Küchenzelt, Aufenthaltszelt und unsere Übernachtungszelte auf der beengten Fläche mitten im Regenwald aufgestellt.
Nach dem gewohnt guten Frühstück und einem Aufmunterungslied durch unsere Trägermannschaft setzten wir am nächsten Tag unsere Wanderung durch Senecien- und Lobelienwälder fort, mit einem ersten freien Blick auf das Kilimandscharomassiv.
Nach sechs Stunden Gehzeit und 1170 Höhenmetern erreichten wir schließlich Barranco Camp (3870 m). Mit zunehmender Höhe zeigten sich die Vorteile unserer vorausgegangenen Akklimatisationstour auf den Mount Meru; die Teilnehmer hatten kaum typische Anzeichen von Höhenkrankheit wie Kopfweh oder Müdigkeit.

Die Aussicht: unbezahlbares Glück

Gefährlich und sehr steil sah sie aus – die Barranco Wall – und doch war die Durchsteigung am nächsten Tag eigentlich ganz leicht. Sie gilt als der steilste Abschnitt der gesamten Route. Danach querten wir mehrere Täler bis zum Tagesziel dem Karanga Camp (4200 m). Nach wie vor kämpfte ich durch meine Mageninfektion mit Appetitlosigkeit und dem laufenden Bemühen, so viel Tee als nur möglich zu trinken. Durch ständiges Scannen und gegebenenfalls Bolusabgaben konnte ich meine Blutzuckerwerte auf einem sicheren Niveau von ca. 180 mg/dLohne ständige Zwischenmahlzeiten halbwegs stabil halten.
Der nächste Tag war zur weiteren Akklimatisation ein eher gemütlicher Tag. Bis zum Barafu Camp (4700 m) sind es nur 3 Stunden und 500 Höhenmeter. Bereits um 18.00 Uhr krochen wir in unsere Schlafsäcke.
Um Mitternacht brachen wir dann mit unseren Stirnlampen auf, um zum Sonnenaufgang nach etwa sechs Stunden den Kraterrand Stella Point (5685m) zu erreichen. Nach kurzer Rast war es jetzt bis zum Gipfel Uhuru Peak (5895 m) nur nochmals eine Stunde. Der Ausblick vom Weg hinein in den Gletscher und den Krater entschädigte für die Mühen der vergangenen Tage.

Der Abstieg und Ausklang auf Safari

Nach der verdienten Gipfelrast mit der obligatorischen Fotodokumentation machten wir uns wieder auf den Rückweg. Im Barafu Camp legten wir nochmals eine zweistündige Ruhepause ein, ehe wir weiter bis zum Millenium Camp (3861 m) abstiegen. Beim Abstieg zum Barafu und Millenium Camp haben sich bei mir mit schwankendem, unsicherem Gang und Müdigkeit Anzeichen einer Dehydrierung als Folge der tagelangen Trinkprobleme bemerkbar gemacht. Zum ersten Mal kam ich jetzt auch in eine Unterzuckerung; offensichtlich deutete sich das Ende meines Mageninfekts an. Erschöpft fielen alle schließlich nach einem anstrengenden 15-Stunden-Tag in Tiefschlaf.
Frisch erholt war der restliche Abstieg durch den Regenwald zum Mweka-Gate (1800 m) und die Rückfahrt in unser Hotel kein großes Problem mehr. Abends folgte im Hotelgarten noch ein Grillfest zusammen mit unserer fleißigen Trägermannschaft und die feierliche Überreichung der Besteigungsurkunden an jeden Teilnehmer.
Viel Ruhe haben wir uns aber nicht gegönnt, denn an den darauffolgenden Tagen stand zum Ausklang noch eine dreitägige Safari an. Zunächst zum Tarangire Nationalpark, der wegen seiner vielen Elefanten und Baobab Bäume bekannt ist.
Übernachtet haben wir jeweils mitten im Nationalpark in Zelten. Am nächsten Tag besuchten wir den Lake Manyara Nationalpark und konnten auch dort aus unserem geöffneten Jeepdach alle afrikanischen Wildtiere aus nächster Nähe beobachten. Höhepunkt am letzten Safaritag war der Besuch des weltberühmten Ngorongoro Kraters, der bekannt ist für die Fülle und Vielzahl an Tieren wie zum Beispiel Elefanten, Giraffen, Zebras, Löwen, Gnus, Hyänen, Nashörner und Affen.
Am letzten Tag in Tansania besuchten wir vor unserem Heimflug noch ein traditionelles afrikanisches Restaurant, um mit den – vorher frisch gewaschenen – Fingern unser Mittagessen zu genießen.

Mein persönliches Fazit: Immer wieder!

Rückblickend war es für mich ein gelungenes Abenteuer. Die vielen Fragezeichen im Vorfeld haben sich positiv aufgelöst. Sicherlich sehr hilfreich war, dass wir – bis auf eine nächtliche Ausnahme – keinen einzigen Regentag hatten und damit auch alle Pfade sehr trocken waren. Entscheidend war aber in erster Linie die ausgezeichnete Reisevorbereitung, die Routenwahl, die gezielte Akklimatisation und nicht zuletzt die stets extrem hilfsbereite Führer- und Trägermannschaft, die einem jeglichen Wunsch von den Augen abgelesen hat und permanent um unser Wohlergehen und eine sichere Rückkehr bemüht war.
Mit diesem Wissen würde ich jederzeit wieder eine erneute Kilimandscharo-Besteigung wagen.“

Walter Kremsreiter, 2019

Disclaimer

Dieser Artikel beruht auf der persönlichen Erfahrung von Herrn Kremsreiter. Diese Darstellung stellt keine Empfehlung bzgl. der Diabetes-Therapie dar. Die Verwendung von Medizinprodukten und Arzneimitteln außerhalb des vom verantwortlichen Hersteller beschriebenen Bereichs sollte immer vorab mit dem zuständigen Arzt abgeklärt werden.

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